Vernichtungskrieg Besprechungen: Lorenz Jäger: Adorno – eine politische Biographie, München 2005, 319 S. Die Geschichte von Theodor Wiesengrund Adorno ist wirklich ein merkwürdiger Fall. Man könnte sagen: Ein augenscheinlich tief in die deutsche bürgerliche Kultur verliebter Mensch hat hier zum Abbau ihrer bürgerlichen Standards beigetragen und wurde davon letztlich am Lebensende eingeholt. Man könnte auch sagen: Seine überzogene Erwartungshaltung vom "Fortschritt" in der Kunst und seine manierierte Sprache sind ein Ausdruck einer sowieso vorhandenen Krise dieser bürgerlichen Kultur und zudem der Tragik des mit dieser Kultur verbundenen deutschen Judentums. Lorenz Jäger hat diese Lebensgeschichte dezidiert als eine politische
aufgearbeitet. Wobei Politik in einem weiten Sinn zu verstehen ist, denn
Adorno trieb nun weder Diplomatie noch Parteipolitik, er blieb dem Feld der
Metapolitik verpflichtet, soweit er nicht in den 40ern für amerikanische
Organisationen an der Dekonstruktion des deutschen Kriegsgegners
mitarbeitete. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung griff, obwohl in
bürgerlichem Habitus, in antibürgerlicher Wirkungsgeschichte politisch in die
deutsche Öffentlichkeit ein. Wer sich als Student herzlich über die steifen
Rededuelle Theodor Adorno vs. Arnold Gehlen amüsiert hat, in denen die Herren
in den 1960ern steif aneinander vorbeiredeten und sich wechselseitig höchstes
Niveau bescheinigten, der hat den bürgerlichen Habitus als Karikatur zu
verstehen gelernt. Unter diesen Vorzeichen wurde Adorno zur Zielscheide der
68er Bewegung, die ihn zuletzt mit blankem Brüsten aus dem Hörsaal und in den
Herzinfarkt trieb. Jäger bereitet dies alles flott und vielfach anekdotisch auf, ohne platt zu werden. Wer es liest, weiß hinterher mehr über Adorno – und über Deutschland.
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