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Vernichtungskrieg

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Rolf-Dieter Müller: Der Feind steht im Osten: Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahr 1939

Der am Militärgeschichlichen Forschungsamt der Bundesrepublik angesiedelte Historiker Rolf-Dieter Müller gilt seit fast drei Jahrzehnten als vehementer Verfechter der realsozialistischen Auffassung, es hätte 1941 einen deutschen Angriff auf die Sowjetunion als einen "unprovozierten Überfall auf ein friedfertiges Land" gegeben. Diese Behauptung war immer sichtlich mehr den politischen Absichten ihrer Verfechter geschuldet als den historischen Fakten. Unter deren jahrzehntelangem Druck hat Müller erkennbar gelitten und geht nun in eine verzweifelte Offensive. Nicht erst 1940/41, nein sogar 1939 soll angeblich deutsche Überfallpläne gegeben haben. Müller kann seine Behauptungen aber auch diesmal nicht belegen und geht wohl deshalb so weit, Belege zu erfinden.

Ein Beispiel: Müller spricht im Buchtitel eines Kapitels vom "Interventionskrieg gegen die Sowjetunion?" und danach im Text vom deutschen "Interesse an der 'Kornkammer' Ukraine, den Rohstoffen des Donezbeckens und dem Erdöl des Kaukasus" für die Lösung wirtschaftlicher Probleme. (S. 79) Dann fährt er fort:

"Reichsaußenminister Constantion Freiherr von Neurath versicherte dem amerikanischen Botschafter William C. Bullitt am 18. Mai 1936, das aus Hitlers Sicht die Feindschaft zur UdSSR unüberwindbar sei und er nur so lange ruhig bleiben wolle, bis die Westbefestigungen fertiggestellt seien." (Ebd. S. 79)

Als Quelle für diese Behauptung, wonach Hitler nach Bau des Westwalls gegen die UdSSR vorgehen wollte, gibt Autor Müller die Protokolle des Nürnberger Tribunals an, genaugenommen Band 37, Dok. 150-L, S. 588-592, eine englischsprachige Aufzeichnung Bullitts über das Gespräch mit von Neurath. Dort steht allerdings folgendes:

"We discussed relations between Germany and the Soviet Government. Von Neurath said that he (Also nicht Hitler, sondern Neurath; d.Verf.) considered the hostility between Germany and the Soviet Union absolutely irremoveable. He asserted that the Soviet Union believed that Nazi Germany was the one obstacle to the conquest of Europe by Communism. (Also gehen Feindschaft und Eroberungsabsicht laut der Quelle von der UdSSR aus, nicht von Deutschland oder Hitler, wie Müller behauptet; d.Verf.) There could be no end, therefore (sic), to the hostility between the two States." (S. 590)

In der Gesprächsaufzeichnung Bullitts steht also das exakte Gegenteil dessen, was Autor Müller behauptet. Die UdSSR wird als Aggressor und Ursprung der Feindschaft genannt, wie auch in den Äußerungen und Denkschriften Hitlers aus dieser Zeit, die Müller ebenfalls falsch wiedergibt. Auch die bei Müller genannte Passage mit der Fertigstellung der deutschen Westbefestigungen steht in keinerlei Zusammenhang mit der UdSSR, sondern bezieht sich auf eine politische Stärkung Deutschlands gegenüber italienischen Interventionsabsichten in Österreich, die sich Neurath (wieder nicht Hitler) von diesen Befestigungen verspricht. (S. 589) Bei der behaupteten deutschen Angriffsabsicht handelt es sich um eine reine Erfindung.

Leider ist dies nicht untypisch für das ganze Buch. Es wird Zeit, daß sich das Gerede vom Überfall auf die UdSSR zusammen mit seinen Protagonisten zur Ruhe setzt.