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Vernichtungskrieg

 

Besprechungen:

Dieter Pohl - Die Herrschaft der Wehrmacht, Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der UdSSR 1941-1944, München 2008

 

Mit dem Namen Dieter Pohl verbinden sich eine Reihe von Veröffentlichungen über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa, insbesondere über die deutsche Vernichtungspolitik gegen die jüdische Bevölkerung. Dies hat deutliche Auswirkungen auf seine Darstellung der sogenannten "Herrschaft der Wehrmacht" in ihrem Besatzungsgebiet in der UdSSR. Pohl sucht im wesentlichen nichts anderes als die mittlerweile fast schon sprichwörtlichen "Verbrechen der Wehrmacht". Er hält dies unter dem Stichwort "kritische Wehrmachtsforschung" offenbar für einen modernen Ansatz, wie man aus dem einleitend gegebenen Forschungsüberblick schließen kann.

Dementsprechend kommt der Autor nicht ohne den häufigen Verweis auf längst überwundene Behauptungen aus der Wehrmachtsdebatte aus. Er wiederholt zum Beispiel die aus dem Umfeld des Hamburger Instituts für Sozialforschung zu hörenden Behauptungen bezüglich eines angeblichen Hungerplans gegen die sowjetische Bevölkerung. Natürlich muß auch er beiläufig einräumen, dies sei "nie Realität" (S. 66) geworden. Auch gegen die Kriegsgefangenen habe sich der geplante Hungertod gerichtet, erklärt Pohl, ohne die von ihm ebenfalls geschilderte Entlassung von etwa zweihundertsiebzigtausend ukrainischen und baltischen Kriegsgefangenen durch die Wehrmacht noch im Spätsommer 1941 damit in Einklang bringen zu können. Diese Entlassungen noch während der laufenden Kampfhandlungen - die deutschen Kriegsgegner behielten die deutschen Gefangenen noch Jahre nach dem Krieg - erreichten bis Mai 1944 eine Zahl von 533.000 (S. 217). Sie sind ein extrem ungewöhnlicher Vorgang und ein klares Indiz dafür, daß von einer geplanten Massentötung der Kriegsgefangenen nicht gesprochen werden kann.

Wenn man zudem bedenkt, daß du diesem Zeitpunkt noch fünfundneunzig Prozent der deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand ums Leben kamen, dann kann man auch die Seriosität der Autors Dieter Pohl ermessen, der in der Schlußbetrachtung davon schwadroniert, "was das Ausmaß an Gewalt gegen Zivilisten und Kriegsgefangene angeht, so lässt sich als Parallelfall zur Wehrmacht nur die kaiserlich-japanische Armee ... heranziehen". (S. 354) Millionen Tote deutsche Zivilisten und Soldaten kommen hier gedanklich gar nicht vor. Einen Zusammenhang der im Vergleich zu anderen Besatzungsgebieten härteren Vorgehensweise der deutschen Streitkräfte mit den sowjetischen Massenverbrechen, wie ihn Klaus-Jochen Arnold in seiner Dissertation über die Besatzungspolitik der Wehrmacht herausgearbeitet hat, leugnet Pohl explizit ab (S. 152). So stellt die Darstellung alles in allem einen Rückfall in die Klischees der Wehrmachtsausstellungen dar.