Vernichtungskrieg Buchbesprechungen: Karl Heinrich Pohl: Gustav Stresemann – Biographie eines
Grenzgängers, Göttingen 2015, 352 S. An Biographien über Gustav Stresemann herrscht eigentlich kein
Mangel. Schon zu seinen Lebzeiten genoß der 1929
verstorbene Stresemann einen herausragenden Ruf, der nach dem frühen Tod im
Alter von gerade einmal 51 Jahren und dem bald danach einsetzenden
Zusammenbruch der Weimarer Republik noch wachsen sollte. Stresemanns
Begräbnis wurde als Vorzeichen für den Untergang der ersten deutschen
Republik gedeutet, er selbst als derjenige, der die Sache vielleicht doch zum
Besseren hätte wenden können. Entsprechend oft wurde sein Leben dargestellt. Karl Heinrich Pohl hat nun eine Skizze von Stresemann vorgelegt,
die sehr ins Persönliche geht. Es steht weniger der Politiker im Vordergrund
als der Mensch, dem es nicht in die Wiege gelegen war, in die oberen Etagen
der deutschen Politik aufzusteigen. „Grenzgänger“ bedeutet in diesem
Zusammenhang: Stresemann gehörte zeitlebens recht verschiedenen Milieus an
und war sich seiner Herkunft als eines von acht Kindern eines Bierhändlers
immer bewußt. Er suchte und fand gesellschaftliche
Anerkennung, ohne sich von dieser Herkunft zu distanzieren. Er war
Verbandsfunktionär der deutschen Industrie und zugleich Sozialpolitiker und
manches andere. So ist Pohls Biographie eine Bereicherung für den, der den Menschen
Stresemann näher kennenlernen will. Kritisieren mag man den allzu großen
theoretisierenden Anteil und die ständige Berufung auf Thesen von Pierre
Bourdieu, um selbst der Schilderung von vergleichsweise banalen
Zusammenhängen die höheren akademischen Weihen zu geben.
|
|||||||
|
|||||||
|
|||||||
|