Vernichtungskrieg Buchbesprechungen: Tore Rem: Knut Hamsun – Die Reise zu Hitler, Berlin
2016, (Aus dem Norwegischen von Daniela Stilzebach),
399 S. Genau genommen sind es zwei Reisen,
die Tore Rem beschreibt. Zum einen ist es die Fahrt des
Literaturnobelpreisträgers und international umjubelten Intellektuellen Knut
Hamsun, die ihn im Sommer 1943 nach NS-Deutschland führte, zu einem Kongreß über die Zukunft Europas, zu Begegnungen mit der
damaligen Prominenz und schließlich zu einem Treffen mit Adolf Hitler. Zum
anderen ist es die vorausgegangene lange Lebensreise des Knut Hamsun, die ihn
aus einfachsten Verhältnissen im nördlichen Norwegen bis zu Weltruhm führte
und damit überhaupt erst die Grundlage für das Jahr 1943 geschaffen hat. Kurz und gut, man hat es hier mit
einer ambitioniert geschriebenen und opulent bebilderten Biographie zu tun.
Sie tut ihr Bestes, dem Leser die Zeit und den Menschen näher zu bringen.
Daher nähert sich Rem der Person Hamsun ohne eine große, steile These an.
Allerdings zeichnet er letztlich das Porträt eines Mannes, dem vielleicht am
Ende seine jahrelang erfolgreiche Methode der Öffentlichkeitsarbeit zum
Verhängnis wurde. Denn Hamsun operierte immer wieder
gern als Provokateur gegen den Zeitgeist. Er startete dies 1891 mit einer
legendären Vortragsreihe über „norwegische Literatur“, in der er die
damaligen norwegischen Berühmtheiten wie Henrik Ibsen zwar lobte, aber
zugleich ankündigte, sie weit übertreffen zu wollen. „Meine Herren und
Damen“, begann er den Vortrag als bewußte Attacke
gegen den damals zunehmend feminin werdenden Zeitgeist. Nun konnte Hamsun über
die bloße Provokation hinaus natürlich auch auf eine gewaltige literarische
Produktion zurückgreifen, deren Geisteswelt in den folgenden Jahrzehnten
teilweise ein Millionenpublikum folgte. Doch blieb er seiner Haltung treu,
sich gegen die Einflüsse zu stellen, wie sie vor allem aus dem Westen
herüberwehten. Das änderte sich auch später nicht.
Als der Nationalsozialismus als Regierungspartei in Deutschland gegen den
Westen Krieg führte (oder umgekehrt). Hamsun trat öffentlich auf seine Seite,
anders als die übergroße Mehrheit der anerkannten Weltliteraten. Er nahm die
Privilegien in Anspruch, die dies mit sich brachte, nicht immer ohne Zynismus
gegenüber jenen, die dies nicht tun konnten. Das Treffen Hitlers mit Hamsun, am
Ende der zweiten Reise, darf man wohl in die Reihe der klassischen Mißverständnisse zwischen Intellekt und Macht stellen.
Hitler hatte sich anscheinend eher intellektuelle Gesprächsinhalte und ein
gewisses Maß an Anerkennung auf diesem Feld versprochen. Hamsun seinerseits
ignorierte dies eher und versuchte, an diesem Tag etwas gegen die deutsche
Besatzungspolitik in Norwegen zu erreichen, betrat also das Feld der Politik.
Man redete aneinander vorbei. Es ist sehr zu begrüßen, daß diese Biographie Knut Hamsuns aus der Nische einer
nur in Norwegisch vorliegenden Ausgabe herausgeholt und ins Deutsche
übersetzt wurde.
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