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Vernichtungskrieg

 

Stichwort: Kommissarbefehl

Der Kommissarbefehl gehörte zusammen mit dem Kriegsgerichtsbarkeitserlaß zu den besonderen Befehlen, die in den deutschen Streitkräften vor dem Unternehmen Barbarossa erlassen wurden. Sie sollten der erwarteten völkerrechtswidrigen Kriegsführung der Roten Armee etwas entgegensetzen und waren daher ebenfalls völkerrechtswidrig formuliert. Politische Kommissare der Roten Armee galten nach dem Kommissarbefehl nicht als Teil der Roten Armee, sondern als irreguläre Kämpfer. Sie sollten daher prinzipiell nach der Gefangennahme erschossen werden können. Die Initiative zum Kommissarbefehl ging von Hitler aus, der die Kommunisten innerhalb der Roten Armee in einer Ansprache vor der Wehrmachtsführung als Verbrecher bezeichnete. Deren Tod sollte seiner Meinung nach die einfachen sowjetischen Soldaten von dem Druck entlasten, bei Kritik oder fehlendem Eifer selbst von den Kommissaren erschossen zu werden.

Mehrere Generäle protestierten gegen die Äußerungen Hitlers über den Kommissarbefehl, den sie weder für rechtlich akzeptabel noch für sachdienlich hielten. Nach dem Scheitern dieser Proteste bestand die Wehrmachtsführung später im Heydrich-Wagner-Abkommen zur Aufgabenverteilung zwischen der Wehrmacht und dem Sicherheitsdienst (SD) der SS darauf, für die Durchführung des Kommissarbefehls zuständig zu sein. Generalquartiermeister Eduard Wagner hat den Grund genannt, warum seiner Ansicht nach dieses Verfahren für den Kommissar-Befehl akzeptabel sei:

"Wenn ein schriftlicher Befehl Hitlers das Heer und nicht den SD mit der Durchführung der Gefangenenbehandlung im Hitlerschen Sinne beauftrage, werde OKH ohne Schwierigkeiten Mittel und Wege finden, um die Durchführung der verbrecherischen Anordnungen in der Praxis zu vereiteln." (1)

Dies war der Hintergedanke, der Wagner im Gespräch mit dem SS-Vizechef Reinhard Heydrich im Frühjahr 1941 leitete. Der Streit darüber, ob das in der Praxis tatsächlich geschehen ist, oder ob der Kommissarbefehl doch zum Großteil ausgeführt wurde, ist bisher nicht entschieden. Es gibt Meldungen einzelner Truppenteile, die von solchen Erschießungen berichten. Wenn das Heer wirklich die Erschießung von Kommissaren sabotieren wollte, mußten solche Meldungen allerdings zwangsläufig gemacht werden, damit diese Sabotage unbemerkt und also erfolgreich bleiben konnte. In einer neuen Veröffentlichung zum Thema behauptet Felix Römer, jeder in Wehrmachtsmeldungen als "angetroffen" oder "festgestellt" bezeichnete Kommissar sei in Wahrheit erschossen worden.(2) Einen Beleg für diese Spekulation gibt es nicht.

Hitler selbst war schließlich der Ansicht, der Kommissarbefehl sei überwiegend nicht ausgeführt worden:

"Er wisse ja, daß man im Heer die gegebenen Befehle, wie z.B. den Kommissarbefehl ... gar nicht oder nur zögernd befolgt habe. Schuld daran trage das Oberkommando des Heeres, das 'aus dem Soldatenberuf möglichst einen Pastorenstand' machen wolle." (3)

Im Jahr 1942 wurde der Kommissarbefehl aufgehoben.

Fußnoten:

 

(1) Zit. n. Broszat/Jacobsen/Krausnick: Anatomie des SS-Staates, S. 178.

(2) Aus Basis dieser Annahme kommt Römer auf eine Gesamtzahl von etwa 4000 durch die Wehrmacht erschossenen Kommissaren. Vgl. Felix Römer: Der Kommissarbefehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42. Paderborn 2008, S. 359 u. S. 367.

(3) Zit. n. Schramm, Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Bd. I, S. 152 f..

Literatur:

Helmut Krausnick: Kommissarbefehl und "Gerichtsbarkeitserlass Barbarossa" in neuer Sicht, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 25, 1977, Seite 682-738

Felix Römer: Der Kommissarbefehl - Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42, Paderborn 2008