Vernichtungskrieg Besprechungen: Lothar Fritze:
Legitimer Widerstand? - Der Fall Elser, Berlin (Berliner
Wissenschafts-Verlag) 2009, 206 S. Vor einigen
Jahren hat sich Professor Lothar Fritze einmal sehr viel öffentlichen Ärger
eingehandelt. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für
Totalitarismusforschung hatte 1998 in seiner Antrittsvorlesung beiläufig die
Frage aufgeworfen, ob das Bombenattentat auf Hitler am 9. November 1939
wirklich als vorbildlicher Widerstandsakt gelten kann. Schließlich nahm der
Attentäter Johann Georg Elser den möglichen Tod und die Verletzung hunderter
anderer Menschen in Kauf. Nur weil Hitler seine Rede abgebrochen und der Saal
sich schon geleert hatte, blieb es bei wenigen Verletzten und Toten, darunter
einer jüdischen Kellnerin. Der Frage, ob es
moralisch gerechtfertig ist, möglicherweise Hunderte zu töten, um dabei einen
Einzelnen mit zu treffen, geht Fritze nun noch einmal ausführlich nach. Er
stellt die weiteren Fragen, ob Elser nicht andere Attentats-Methoden hätte
versuchen können, die sich direkter gegen Hitler richteten, der schließlich
damals ständig im offenen Wagen durch Deutschland fuhr. Auch ob Elser
tatsächlich aus politischen Motiven oder aus persönlichem Ehrgeiz ("Von
mir werdet ihr noch hören") gehandelt hat, ändert für Fritze die
Bewertung seiner Tat. Schließlich bezieht Fritze die Überlegung ein, ob ein
einzelnes Attentat überhaupt das Regime gestürzt hätte und ob es nicht schon
deswegen fragwürdig sei, weil das wohl kaum der Fall gewesen wäre. Fritze
läßt keinen Zweifel daran, daß er Elsers Attentat insgesamt nicht für
traditionswürdig hält und die diesbezüglichen Anstrengungen etwa von Peter
Steinbach für unangemessen. Es bleiben aber
viele Fragen offen. Einen puren Mord an Hitler als Person hält Fritze für
angemessen. Selbst die Inkaufnahme der Tötung sämtlicher Nationalsozialisten
im Bürgerbräukeller ist für ihn noch in Ordnung. Weil aber Angehörige von
Toten des 9. November 1923, also nicht notwendig Parteiangehörige und eben
Kellnerpersonal im Raum gewesen seien, sieht er ein Problem. Diese
unbegrenzte Lizenz zum Töten aller Nationalsozialisten erinnert an die
Tradition des Kommissarbefehls, der ähnliches für
Mitglieder der Partei der Weltrevolution vorsah und mehrheitlich als
indiskutabel betrachtet wird. Darüber wird noch gesprochen werden müssen.
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