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Vernichtungskrieg

Stichwort: Krimkriegssituation

Der Begriff "Krimkriegssituation" wurde vor allem von dem deutschen Historiker Klaus Hildebrand geprägt. Er bezeichnet die geopolitische Lage der internationalen Politik nach 1856, als die beiden europäischen Großmächte Frankreich und England dem zaristischen Rußland im sogenannten Krimkrieg im Schwarzen Meer eine Niederlage beigebracht hatten. Als Folge davon gab die Moskauer Politik ihre Pläne für eine Expansion auf den Balkan und in Richtung Mittelmeer auf. Statt dessen eroberte sich Rußland in den Jahrzehnten nach dem Krimkrieg hauptsächlich in Zentralasien neue Gebiete. Da gleichzeitig auch England sich in Afrika, Indien und dem Pazifik neue Kolonialgebiete eroberte, war die Aufmerksamkeit der Weltpolitik zu dieser Zeit nicht auf Europa gerichtet.

Für die deutsche Geschichte wurde diese Situation zur Voraussetzung für den Ausgang der Einigungskriege in den Jahren 1864 (gegen Dänemark), 1866 (innerdeutscher Krieg zwischen Preußen und Österreich) und 1870/71 (Preußen-Kleindeutschland gegen Frankreich). Weder England noch Rußland griffen in diese Kriege ein, da beide Staaten zu dieser Zeit andere Interessen verfolgten, so daß 1871 nach dem Sieg über Frankreich in Versailles die preußisch-kleindeutsche Vereinigung proklamiert werden konnte.

Die Krimkriegssituation war ab den 1890er Jahren immer weniger gegeben, da sowohl Rußland wie Großbritannien ihre politischen Interessen wieder nach Europa zurückverlagerten. Die Interessen beider Staaten richteten sich dabei gegen die Existenz einer unabhängigen politischen Größe in Zentraleuropa und damit tendenziell gegen die Existenz des Deutschen Reichs in seiner 1871 erreichten Form, aber zunehmend auch gegen die Existenz Österreich-Ungarns. Der Drang der Weltpolitik in Richtung Zentraleuropa wurde ab 1900 auch durch die Vereinigten Staaten verstärkt, so daß das Ende der Krimkriegssituation als die Voraussetzung für die deutschen Niederlagen von 1918 und 1945 angesehen werden kann.

Literatur:

Klaus HILDEBRAND, Die "Krimkriegssituation". Wandel und Dauer einer historischen Konstellation der Staatenwelt, in: Jost DÜLFFER; Bernd MARTIN; Günter WOLLSTEIN (Hgg.), Deutschland und Europa. Kontinuität und Bruch. Gedenkschrift für Andreas Hillgruber, Berlin 1990, S. 37 ff.